Die Passion in ihrer Petersburger Hängung — Projekt
Idee und Umsetzung innerhalb des Projektes "Lebenslauf = Werklauf".
2022
Painting And Graphic Art
Passion Art
Idee und Umsetzung innerhalb des Projektes "Lebenslauf = Werklauf".
2022
Painting And Graphic Art
Passion Art
Das Projekt Petersburger Passion ist eine Zusammfügungshandlung, die sich jetzt und immerdar im Prozess befindet / befinden wird.
Sie kennen den Begriff der „Petersburger Hängung“?
Ein paar textliche Anmerkungen zu diesem besonderen Passions-Projekt
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Die Petersburger Hängung.
Die Petersburger Hängung, oder Salonhängung, bezeichnet eine sehr enge, dichte Anordnung von Bildwerken, oft sogar bis unter die Decke reichend. Ihren Namen erhielt sie nach der besonders üppigen Bilderplatzierung in der Petersburger Eremitage.
Nicht nur in Museen ist diese Hängemethode zu finden, auch bei privaten Sammlern stieß ich auf sie. Während in Museen die wandige Fülle durch die Einheit meist einer Epoche in seiner Diversität gezügelt ist, kann dies bei nicht öffentlichen Sammlungen anders sein, hier ist neben dem Aspekt der Gedrängtheit oft auch der der Unterschiedlichkeit von parallel platzierten Genres, Materialien, Größen, Rahmungen etc. zu finden – und (ggf.) beeindruckend.
Ästhetischer Gewinn durch Polymorphie.
Mich begeisterte in diesen häuslichen Sammlungen nicht nur die Bilddichte, die von einer leidenschaftlichen Liebe zu Kunstwerken bis an die äußersten Möglichkeiten der eigenen vier Wände sprach, sondern auch, dass die Präsentation, trotz einer entbehrten Vermittlungsformalie, (meist) von ästhetischem Reiz war, vielleicht weil die Individualitäten der Sammler in direkter Ehrlichkeit sichtbar werden oder vielleicht auch, weil eine Versammlung von Qualität auch ohne vermittelndes Band miteinander klingen kann, ohne dass der Eindruck von einem Durcheinander wie auf einer Resterampe auftaucht. Bei der Petersburger Passion spricht eine Gemeinschaft von sehr unterschiedlichen Bildwerken zusammen über ein gemeinsames Thema und es ist vielleicht dem Betrachter möglich, auch dieses zusätzliche Gespräch zu erlauschen, das sich nicht ergibt, ist der Zyklus „aus einem Guss“. Vielleicht ergeben sich durch das Gespräch der differenten Einzelbilder untereinander Besonderheiten für das Verständnis des Gesamt-Themas, das sie in ihrer Gemeinschaft ja zusammen bilden.
Das eigene Archiv als Arbeits-Material. Der Zeitenraum. Und die Entwickelung: darum Projekt.
Im Zuge eines erhaltenen Stipendiums zur Erarbeitung eines digitalen Werkverzeichnisses hatte ich weiter an der Erstellung meines Webseiten-Werkverzeichnis-Hybriden gearbeitet und bin beim Reprographieren meines gesamten Werkes naturgemäß auf die frühen Arbeiten gestoßen. So auch auf meinen ersten Passionszyklus von 2001.
Als ich eine Gefangennahme von 2001, einer mehr zeichnerischen Arbeit auf Papier im kleinen Format (33 x 33 cm) neben eine Grablegung von 2021, Ölfarbe auf Goldgrund auf Holz, 70 x 70 cm, im Atelier auf den Boden legte, eröffnete sich mir eine besondere Ausdruckskraft durch die Kontrastierung. So kam die Idee, jetzt, in 2022, eine „Petersburger Passion“ zu machen, mit Bildern aus unterschiedlichen Schaffensphasen, in mannigfachen Formaten, auf variierenden Bildträgern, mit unterschiedlichen Techniken und Stilen.
Meine Petersburger Passion ist eine Fügung, eine Zusammenfügung, aus der Vergangenheit, die aber vor der Gegenwart nicht Halt macht, so habe ich auch schon eine Station, die nicht aus der Vergangenheit verfügbar ist, neu gemalt und es werden auch weitere neu erschaffen werden.
Wird die Petersburger Passion gezeigt entsteht eine Art Zeitraum, der einen Anfangspunkt hat, jedoch in der Gegenwart offen ist, der Zeitentwicklung folgt.
Deshalb hat sich die Bezeichnung des „Projektes“ zur „Petersburger Hängung“ gesellt, was heißt, dass es sich bei dieser Fassung der Passion nicht um einen fertigen Zyklus handelt, sondern es eine Zusammenstellung ist, ein Projekt, das nicht abgeschlossen und vollendet ist, sondern sich auch in seiner Entwickelung als Gefüge durch die Zeit inkonstant zeigt.
Die Sammlung Länger. Eine Grundlage. Eine Verbindung
Die „Petersburger Hängung“ ist ein vorherrschender Charakter in Privatsammlungen, so stellte ich eingangs fest. Auch ich bin Sammler, es gibt einen frühen Werkzyklus, „Die Sammlung Länger“. Der Ausgangspunkt für die Petersburger Passion ist mein eigenes Archiv, meine eigene Sammlung meiner eigenen Arbeiten, deren Betrachtung überhaupt die Idee generierte. Mit der Benutzung meines Archives als Arbeitsmaterial für ein aktuelles Projekt knüpfe ich auch wieder an meine Arbeit „Die Sammlung Länger“ an, gebe dieser Arbeit nun aus der Zukunft kommend, eine neue Bedeutung, in Grunde gar eine neue Dimension.
Ausstellungen.
Wie schon erwähnt, weiß ich aus erlebter Ansicht, dass die Petersburger Hängung eine ästhetisch genussvolle Reise des Auges veranlassen kann, auch sprach ich schon von der Kraft der Kontrastierung verschiedener Formate, Materialien und Stile: In meiner Vorstellung habe ich die Arbeiten schon im „White Cube“ einer Galerie, eines Kunstvereins, eines Museums etc. in einer „Petersburger Hängung“ mich befriedigend platziert gesehen. In Kirchenräumen wird dies sehr ortsspezifisch eigen werden, ein Wagnis, aber eines, das in seiner besonderen Herausforderung eine einzigartig beeindruckende Ansicht erzeugen kann, vielleicht, wenn’s gut läuft … Ein Projekt des Ungewissen.
Eindruck auf meiner Webseite.
Die Bilder bisher vorhandener Stationen sind auf meiner Website zu betrachten möglich, doch kann gerade bei diesem Projekt der Player der Webseite, der die Bilder immer im gleichen Format zeigt, nicht den Eindruck des formal Interessanten und Besonderen durch die Unterschiedlichkeit der differierenden Formate etc. wiederspiegeln. Nach einigen photographierten Ausstellungen, ist es vielleicht möglich, das Ausstellungskonzept auch über die Webseite zu erahnen. Ein Projekt mit einer gewissen Vorliebe für die physische Realität.
Passion, nicht Kreuzweg.
Es handelt sich bei diesem Zyklus, das sei hier im katholischen Bayern betont, nicht um einen Kreuzweg, sondern um eine Passion, das heißt, es gibt keine festgelegten 14 Stationen, wie beim klassischen katholischen Kreuzweg. Dürers kleine Passion zum Beispiel umfasst 36 Etappen, beginnt mit dem Sündenfall und endet beim Jüngsten Gericht, seine „Große Passion“ hat lediglich 11 Stationen (+ Titelblatt), auf Wikipedia sind unter „Stationen der Passion Christi“ 39 Szenen zwischen dem Einzug in Jerusalem bis zu den Frauen am Grabe gelistet. Anknüpfend an diese Passions-Tradition fühle ich mich nicht nur in Format, Material und Technik frei, sondern auch in der Auswahl der Stationen, die meine Passion umfasst. Ein Projekt, auch im Umfange veränderlich.
Die Kommunikation.
Was ergibt sich für die Rezipientin und den Rezipienten, wenn die Bilder eines zusammenhängenden Zyklus nicht wohlgeordnet auf durchgehend gleichem Bildträgermaterial, im selben Formate und in einer äquivalenten Diktion gearbeitet, sich präsentieren?
Vielleicht ergibt sich für sie sogar eine zusätzliche Ebene der Rezeption, denn normalerweise ist ein Passionszyklus nicht nur bei mir mit durchgehend gleichen Formalien gearbeitet, sondern es ist allgemein so üblich, ich kenne jedenfalls keine Passion, keinen Kreuzweg, der nicht in einem Format, in einem Duktus geschaffen wurde. Es wäre also nicht nur für mein Oeuvre außergewöhnlich, sondern auch für die Passionstradition generell. Auch sind Arbeiten unterschiedlicher Entstehungszeiten vereint. Vielleicht kann dies einen zusätzlichen Eindruck im Betrachter erwecken? Vielleicht ganz fein auch nur; vielleicht kann ich von einem Beschauer einmal hören, ob ein derartiges Gespräch zwischen den formal und von Entstehungsjahr verschieden Bildern sichtbar ist.
© Jörg Länger, 2022, Rohrdorf (Chiemgau)