„… am d r i t t e n Tage … “
Dr. Sabine Maria Hannesen
Katalogtext zur Ausstellung
in der St. Matthäus-Kirche am Kulturforum in Berlin
vom 1. März bis 17. April 2006
Jörg Länger – „… am d r i t t e n Tage … “ passio domini jesu christi
Von Aschermittwoch bis Ostermontag ist der Passions-Zyklus von Jörg Länger in der evangelischen St. Matthäus-Kirche in Berlin zu sehen. Werke der bildenden Kunst und der Ablauf des Kirchenjahres gehen hier eine bewusste Verbindung miteinander ein. Die Arbeiten haben in einem liturgisch genutzten Sakralraum eine andere Wirkung, als in einem Museum oder in einer Galerie. Der 14-teilige Zyklus beginnt mit Jesu Gebet am Ölberg und endet mit Christi Auferstehung am dritten Tage.
Zeitgleich mit Mel Gibsons spektakulärem Kinofilm ‚The Passion of Christ’ entstand Jörg Längers Passionszyklus. Der Künstler geht mit seinen feinen und auf den ersten Blick so stillen Arbeiten einen ganz anderen Weg der Darstellung, der sicherlich nicht weniger eindringlich ist. Leid hat viele Formen, Sprachen und Gesichter. Jörg Länger entschied sich in seinem Passionszyklus für die Umsetzung in eine scheinbar ästhetische Form, die sich bei genauem Hinsehen als beängstigend tiefgründig erweist. Dieses Ausloten der Tiefe kommt nicht von ungefähr, sondern hat eine solide Grundlage in seinem Studium der Geistes- und Religionswissenschaften an der Freien Universität Berlin und einem Kunststudium an der Freien Kunststudienstätte Ottersberg. Jörg Länger arbeitete in verschiedenen Bereichen als Konzept- und Performance-Künstler. Er beschäftigte sich mit Fotografie, Collagen und Rauminstallationen. 1989 schneidet der Künstler während eines Druckgrafikseminars Figuren aus Linoleum, um sie im Handdruck in seine Malereien und Zeichnungen einzufügen. Ab 2001 beginnt Länger mit seinen so genannten ‚narrativen Kompositionen’, die er bis heute fortsetzt und weiter entwickelt. „Von nun an gibt Länger Linolschnitte nach eigenen Entwürfen auf. Die Handlungsträger – oder Protagonisten – werden von dem Künstler fast archäologisch aus der bis zur Gegenwart reichenden Kunstgeschichte zusammengetragen, mit der Farbe und der Struktur des Linoldruckes neu belebt und in die Umfelder zeitgenössischer Zeichnung und Malerei eingefügt.“ (Zitat: Jörg Länger, >Künstlerische Wegmarken<, 2005/6). Auf diesem Fundament sind die vierzehn Blätter der ausgestellten Passion entstanden.
Ölberg
Die erste Station beginnt mit Christi Gebet am Ölberg. Jesus war mit drei seiner Jünger in den Garten Getsemane gegangen. Dort ergriff ihn Angst und Traurigkeit und er sprach zu ihnen: „Meine Seele ist zu Tode betrübt. Bleibt hier und wacht mit mir!“ Und er ging ein Stück weiter, warf sich zu Boden und betete:„Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst.“ Als er aber zu seinen Jüngern zurückging, fand er sie alle drei schlafend. Eine Situation der Angst und Einsamkeit. Protagonist auf diesem Blatt ist die Christusfigur aus einem Gemälde von Hans Holbein d. Ä., ‚Ölberggebet der Grauen Passion’, um 1505. Der Linoldruck der Jünger stammt hingegen aus einer Druckgrafik von Kiki Smith, ‚Sueno’, von 1992. Die Komposition zeigt eine deutliche Trennung der Figurengruppen. Auf einem Hügel liegen zusammengekauert die drei Jünger in geradezu embryonaler Haltung, mit dem Kopf in den Armen vergraben. Wie Drillinge sind sie nur durch ihre Anordnung im Bild von einander unterschieden. Nicht die Individualität der drei Personen möchte Länger betonen. Diese Jünger erscheinen als Stellvertreter für die Menschen im allgemeinen, die zu schwach sind, mit Jesus in seiner Not zu wachen. Als irdische Kreaturen bleiben sie dem Boden, auf dem sie sich krümmen, erdenschwer verhaftet. Christus erhebt sich dagegen als helle Lichtgestalt in einem nicht näher definierten freien Raum. Der Künstler hat die Christusfigur aus Wachs gearbeitet. „Christus ist wie Wachs in den Händen seines Vaters“ (Jörg Länger). Der Sohn schmilzt vor dem imaginären Antlitz und dem Willen Gottes. Bereits in der Gestaltung dieser ersten Station gibt Länger durch die Helligkeit der Christusfigur einen Hinweis auf die Auferstehung am Ende des Zyklus.
Gefangennahme
Jörg Länger entwickelt hier eine neue, von der kunsthistorischen Tradition unabhängige Darstellung. Üblicherweise ist bei der Gefangennahme Jesu die Begegnung mit Judas und den bewaffneten Männern zu sehen, die in dem verräterischen Kuss gipfelt. Nichts davon ist hier erkennbar. Kein Haufen aufgebrachter Krieger mit Schwertern und Knüppeln – ja, nicht einmal Judas tritt in Erscheinung. Der Künstler konfrontiert uns stattdessen mit einer sich spiegelnden Christusgestalt. Man hat den Eindruck, beide Teile nähmen sich in ihrer Gegenüberstellung gegenseitig ins Visier. Eine Art gedehntes Andreaskreuz verbindet sie miteinander. Es ist ein und dieselbe Person: Christus gleichzeitig als wahrer Mensch und wahrer Gott. In der erdigen dunklen Farbe der linken Figur ist die menschliche Natur Christi veranschaulicht; in der hellen auf der linken Seite die Vision des Auferstandenen, den eine Aura umgibt. Die Linien verbinden beide wie in einem Fadenkreuz. Christus ist aus seiner Liebe zu Gott und den Menschen an seine Erlösungsmission gebunden. Bei dem Evangelisten Matthäus heißt es an dieser Stelle: „Das alles aber ist geschehen, damit die Schriften der Propheten in Erfüllung gehen.“ (Mt. 26, 56).
Kaiphas
Nach der Verhaftung führte man Jesus zum Hohenpriester Kaiphas, bei dem sich die Schriftgelehrten versammelt hatten. Sie bemühten sich um falsche Zeugenaussagen gegen Jesus, um ihn zum Tode verurteilen zu können. Zwei Gelehrtenfiguren aus den westlichen und östlichen Wissenschaften, die aus Vorlagen einer Druckgrafik des 16. Jahrhundert stammen, stehen in der unteren Bildhälfte. Sie sind umschlungen und verbunden mit einem Schriftband, das ihre Köpfe zur Seite drückt und ihre Rücken krümmt. Wie eine schwere Last tragen sie ihre Falschaussagen. Das Schriftband legt sich beiden wie eine Schlinge um den Hals, als Symbol ihrer Verleumdung. Als kleine Gestalt schwebt Christus in der oberen Bildhälfte. Sein zierlicher Leib – einer ‚Kreuzabnahme’ Rogier van der Weydens aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts entnommen – ist ausgefüllt mit Schrift, ein Hinweis auf die Erfüllung: Und das Wort ist Fleisch geworden.
Pilatus
Auch auf dem 4. Blatt behält Jörg Länger den symmetrischen Bildaufbau bei. Entsprechend der ambivalenten Gewissenssituation des Pilatus versucht der Künstler der inneren Zerrissenheit des römischen Statthalters durch eine Verdoppelung Rechnung zu tragen. Die Vorlage hierfür ist die Augustusstatue von Primaporta, um 14 n. Chr., aus den Vatikanischen Museen. Pilatus ist gespalten in seinem Bemühen einerseits Christus vor dem aufgebrachten Pöbel zu verteidigen und andererseits fehlt ihm der Mut tatsächlich für ihn einzutreten. Er fühlt sich dadurch sowohl nach links, wie nach rechts gezogen, verliert seine innere Mitte – oder hat sie charakterlich nie besessen – und kippt dadurch förmlich auseinander. Die helle Christusgestalt, die in ihrer fast tänzerischen Bewegung von oben einen Keil zwischen die Gespaltenheit der beiden Pilatusfiguren treibt, scheint eine Entscheidung herbei führen zu wollen.
Geißelung
Von Rembrandts ‚Geißelung’, von 1635, übernimmt Länger die Figurenvorlage. Im Zentrum des Blattes ist Christus zu sehen, schutzlos die Arme über dem Kopf erhoben. Zum ersten Mal springt dem Betrachter die Farbe Rot ins Auge. Durch die Peitschenhiebe spritzt das blutige Rot aus dem gefolterten Körper. In der Mitte bildet es eine Achse. Gleichzeitig umzingeln die Blutspritzer den Gemarterten wie ein Gefängnisgitter. Für Jesus gibt es kein Entrinnen. Bei Matthäus steht dazu als Anmerkung: „Die Auspeitschung mit Lederpeitschen, in die spitze Metallstücke eingebunden waren, konnte der Todesstrafe vorausgehen.“ (Mt. 27, 26).
Dornenkrönung
Die blutrote Farbe konzentriert sich bei dem nächsten Blatt auf die Qualen Jesu, als Soldaten ihm die Dornenkrone mit Stöcken aufs Haupt schlagen, um ihn in seinem Elend noch mehr zu verspotten. Zusammengekauert sitzt Christus vor einer unsichtbaren grölenden Menge, die nur eines will: „Ans Kreuz mit ihm!“ Die Dornenkrone ist kaum in der Druckgrafikvorlage von Albrecht Dürers ‚Titelblatt zur kleinen Passion’, von 1511, zu sehen. Dafür zeigen die sich ausbreitenden roten Kreise, die um den Kopf Jesu zirkulieren, um so deutlicher seine Schmerzen. Der Künstler gibt keinen Hinweis auf den in seinem Blutrausch benommenen Pöbel, doch die Vorstellung verblendeter und aggressionsbereiter Massen ist allgegenwärtig – damals wie heute.
Handwaschung
Als Pilatus sah, dass er nichts für Jesus erreichte, sondern dass der Tumult immer größer wurde, ließ er Wasser bringen, wusch sich vor allen Leuten die Hände und sagte: „Ich bin unschuldig am Blut dieses Menschen.“ Auf dem Blatt sieht man jedoch nicht, wie sich Pilatus seine Hände in Unschuld wäscht. Der Künstler zeichnet stattdessen einen nach oben offenen Halbkreis. In der Mitte oder Tiefe dieser nur mit einem einzigen Strich angedeuteten Schale schwebt Christus und greift sich mit seiner Rechten an die Seitenwunde. Die Figur zeigt Spuren des gescheiterten Versuches, sie mit weißer Farbe zu überstreichen und damit auszulöschen. Weiß bedeutet Reinheit. Pilatus hätte gerne eine ‚weiße Weste’, aber die Schuld, die er auf sich geladen hat, schimmert immer noch deutlich hindurch. Die Gestaltung ist so gewählt, als würde sich der Betrachter an der Seite des Pilatus über die Schale beugen. Gleichsam wie auf dem ‚Grals’-Grund erkennt er Jesus, der sich für unsere Sünden geopfert hat.
Schaustellung
Jörg Länger entwirft bei seiner ‚Ecce homo’-Darstellung eine neue Bildkomposition. Zum ersten und einzigen Mal tritt auf diesem Blatt eine größere Anzahl von Menschen auf. Angeschnitten vom unteren Bildrand erkennt man acht Rückenfiguren, die nach oben in die Ferne schauen. Dort, weit weg von ihnen selbst, erscheint Christus. Als Protagonisten hat der Künstler die Figur Leonardo da Vincis aus seinen ‚Proportionen der menschlichen Figur’, von 1485–90, und gleichzeitig noch die Figur des ‚Pantokrator’ aus dem Soester Retabel, von 1180, gewählt. Beide Gestalten überlagern sich. Die ausgebreiteten Arme der da-Vinci-Zeichnung erinnern an die Form eines Kreuzes. Diese Erscheinung suggeriert sowohl Macht, wie Ausgeliefertheit, Freiheit und Gebundenheit. Wie ein prophetisches Zeichen leuchtet die Figur am Himmel über den Köpfen der Menschen auf. Nicht die Verhöhnung wird von Länger hier akzentuiert, sondern bereits das geistige Entrücktsein des Gottessohnes. Die Art der Komposition lässt an Opern- und Theater-Bühnenbilder denken. Götz Friedrich inszenierte 2003 an der Deutschen Oper Berlin ganz ähnlich das Ende der ‚Götterdämmerung’ Richard Wagners. Es ist der Moment des Untergangs, einer Zeitenwende, das Alte stirbt, doch gleichzeitig erscheint den Menschen die Lichtvision eines Neubeginns.
Kreuztragung
Das ganze Leid der Kreuztragung hat Jörg Länger mit vier dünnen Strichen in zwei rechten Winkeln und dem Linolabdruck einer kleinen Figur in der unteren Bildhälfte auf das Blatt gebannt. Es gibt auf den ersten Blick kaum etwas zu sehen, so unvorstellbar ist der Opfergang Jesu nach Golgatha. Die kleine gebeugte Gestalt wurde vom Künstler in dem Kreuz aus vier Geraden so angeordnet, dass der Betrachter erkennen muss, dass die Dimensionen nicht zusammenpassen. Dieses Kreuz hat – im Vergleich zur Figur – keine menschlichen Proportionen mehr. Trotz seiner zarten Linien sprengt es das Bild und zeigt dadurch auch formal: Jesus trägt für uns das Leid der Welt. Dieses Leid scheint ohne Anfang und Ende, grenzenlos und überdimensional zu sein. Paradoxerweise empfindet der Betrachter gerade durch die Durchsichtigkeit und feine Linienführung die unerträgliche Schwere dieses Kreuzes mit ganzer Macht.
Kreuzigung
Jörg Länger gelingt es in seinem Kreuzigungsbild einen neuen, ganz persönlichen Blick auf das Geschehen zu kreieren. Er hat für seinen Protagonisten die Christusfigur einer Kreuzigung aus einem Psalter der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts entnommen. Wieder haben wir es mit einer Verdoppelung zu tun, die diesmal jedoch nicht voneinander geschieden, sondern durch einen verwischten Schatten miteinander verbunden ist. Diese malerische Spur kann als Auffahren gen Himmel oder Hinabsinken ins Grab interpretiert werden. Die Deutung des jammervoll am Kreuz Hängenden erweitert sich durch die Figurendopplung mit den weit auseinandergebreiteten Armen und durch das Fehlen eines erkennbaren Kreuzes zu dem Eindruck eines sich Emporschwingens. Die Seele erhebt sich über den geschundenen Körper. So umfasst diese Darstellung die Kreuzigung und Auferstehung in einem.
Kreuzabnahme
Auch bei seiner Kreuzabnahme kommt Länger zu einer neuen und eigenwilligen Bildlösung. Der Leichnam Christi ‚fliegt’ scheinbar auf wundersame Weise in die ausgebreiteten Arme seiner Mutter! Maria streckt ihm ihre hoch erhobenen Arme entgegen, um den toten Sohn in ihrem Schoß aufzufangen. Wie eine Schwalbe scheint Jesus ihr mühelos entgegen zu gleiten. Es bedarf hier keiner Leiter und keines Tuches zum Abseilen des Toten. Der Künstler hat mit nur wenigen Strichen die Position der beiden Figuren angedeutet. Zwei rechte Winkel am oberen linken Bildrand markieren das Kreuz und eine leicht gerundete Linie am unteren Bildrand definiert Marias Standort. Die Vorlage für die Gestalt der Maria stammt aus Masaccios ‚Kreuzigung’, von 1426, und die der Christusfigur aus Bill Violas ‚Going Forth by Day’, von 2002.
Grablegung
Ein schwarzes Quadrat in der unteren Bildhälfte symbolisiert das Grab. Durch seine gleiche Seitenlänge hat das Quadrat an sich etwas Abgeschlossenes. Länger wählte diese Form und nicht die eines Rechteckes, da er eine Verbindung zu dem schwarzen Quadrat Kasimir Malewitschs sieht. Malewitsch hatte 1913 mit seiner abstrakten Arbeit provokativ das Ende der Malerei verkündet. Schwarz steht in unserem Kulturkreis für Trauer, Dunkelheit und Tiefe. Mitten in dieses schwarze Viereck hinein wurde Christus gelegt. Die Gestalt Jesu hat nun eine leicht bräunliche Farbe erhalten: Erde zu Erde, Staub zu Staub. Das Bild vermittelt Ruhe und Frieden. Nach menschlichem Ermessen hätte der Zyklus mit diesem Blatt zu Ende sein können.
Höllenfahrt
Für die Höllenfahrt Jesu gibt es keinen direkten biblischen Beleg, aber viele biblische Andeutungen. Der Gottessohn erscheint verheißungsvoll und siegreich in der oberen Bildmitte, wie in einem geöffneten Türrahmen. Das Tor zur Hölle hat sich ihm aufgetan und zwei teuflische Figuren fallen vor ihm in die Tiefe. In der unteren Bildmitte erkennt man Adam und Eva. Jesus, der neue Adam, wird sie heraufführen in sein Reich. Durch seine Komposition vermittelt Länger dem Betrachter trotzdem die Vorstellung unterschiedlicher Raumsphären.
Auferstehung
Berühmte Vorlage für den Protagonisten des letzten Blattes ist der Auferstandene von Matthias Grünewalds Isenheimer Altar, um 1512–16, und Figuren aus ‚Der Große Morgen’, von Philipp Otto Runge, von 1809-10. Die triumphale Lichtgestalt des auferstandenen Heilands erstrahlt in einem hellen Gelb. Wie eine mächtige dreizackige Krone schweben über seinem Haupt — mit den Köpfen nach unten gerichtet — die drei Kinderfiguren aus Runges Morgen-Bild. Der Künstler hat sie in der hellblauen Farbe des Himmels gedruckt. Dort, wo sie Christus mit ihren Köpfen nahe kommen, trifft sie der gelbe Widerschein seiner Herrlichkeit. Eine schmale Linie wölbt sich in der unteren Bildhälfte, die von Christi Fußspitzen unterbrochen wird und an denen eine hellgelbe Lichtspur zu beiden Seiten in die Erde einfließt, denn durch seinen Erlösungstod hat er Himmel und Erde miteinander verbunden und versöhnt.
Der Passionszyklus von Jörg Länger zeichnet sich durch Sensibilität, Reduktion und Konzentration auf das Wesentliche aus. Trotz sparsamster formaler Mittel gelingt es dem Künstler immer wieder, für den Betrachter verschiedene Raumtiefen und Bewegungen zu evozieren. Die sehr zurückhaltend eingesetzten Farben sind stets inhaltsbezogen. Auf den ersten Blick vermittelt die zumeist axiale Komposition und die ästhetische Gestaltung ein ruhiges Erscheinungsbild, das jedoch bei genauerem Hinsehen tiefgründig aufgebrochen und hinterfragt wird. Durch den Scherenschnittcharakter seiner Linoldrucke und das Fehlen jeglicher Binnenzeichnung entfaltet sich beim Betrachter ein Höchstmaß an eigener Phantasie. Länger versteht es, in seiner minimalistischen Technik die Vorlagen aus berühmten Werken der Kunstgeschichte und Gegenwartskunst durch einen veränderten Kontext sowie durch zeichnerische und malerische Bearbeitungen für den Betrachter neu zu beleben und ihn zu weiteren Reflexionen anzuregen. Die in diesem Katalog beschriebenen Bildinterpretationen bieten von daher nur eine Auswahl aus einem Spektrum denkbarer Deutungen, sich dem Werk zu nähern.
In künstlerisch ähnlicher Gestaltung hat Jörg Länger 2004/05 auch einen Zyklus zur ‚Verkündigung an Maria’ (‚Nuntiatio’) geschaffen.
© Dr. Sabine Maria Hannesen, Kunsthistorikerin, Berlin 2006