Moorstück – (Moora et Labora)
Regionalschau, Unwetter und Heimatabend
1988
Swamp-Art
I. Installations-Bewässerung durch Unwetter während des Aufbaus von “Moora et Labora”
(Der Ruf des Torfes nach seiner Befeuchtung)
Aufbau mit Rettungsaktion, gemeinsame Handlung/Performance mit B. Jakob und M. Kaukler
Kunststudienstätte, Foyer des Neubaus, Große Straße, Ottersberg
Davon Dokumentarphotographien
II. “Moora et Labora”, Moor- und Laborinstallation
Torfziegel und Film-Entwicklungsmaschinenteile
Photographische Arbeiten des Moorstückes auf Photopapier- und Filmkartonagen,
abgedeckt mit Photopapier- und Filmkartonagen-Deckeln
Davon Dokumentarphotographien
III. Heimatabend
Handlung/Performance mit 3 Diaprojektoren und Dias mit Moor- und Torfmotiven
Davon Dokumentarphotographien
Text über das Moorstück als PDF
I. Installations-Bewässerung durch Unwetter während des Aufbaus von “Moora et Labora”
(Der Ruf des Torfes nach seiner Befeuchtung)
Aufbau mit Rettungsaktion, gemeinsame Handlung/Performance mit B. Jakob und M. Kaukler
Kunststudienstätte, Foyer des Neubaus, Große Straße, Ottersberg
Davon Dokumentarphotographien
II. “Moora et Labora”, Moor- und Laborinstallation
Torfziegel und Film-Entwicklungsmaschinenteile
Photographische Arbeiten des Moorstückes auf Photopapier- und Filmkartonagen,
abgedeckt mit Photopapier- und Filmkartonagen-Deckeln
Davon Dokumentarphotographien
III. Heimatabend
Handlung/Performance mit 3 Diaprojektoren und Dias mit Moor- und Torfmotiven
Davon Dokumentarphotographien
Text über das Moorstück als PDF
Text über das Moorstück
Das auf der Website gezeigt Moorstück ist in seiner Restaurierung noch sehr unvollkommen, es harrt also einer weiteren Überarbeitung, denn es sind auch noch viele 6x6-Dias von Bildern und Objekten und weiterhin Skizzen und Texte ungehoben. Aber das Moor konserviert und erhält und manchmal gibt das Moor das Versunkene wieder frei, d. h. irgendwann kommen sicher ergänzende neue Funde ans Bildschirmlicht …
Aber auch in diesem unvollkommenen Stadium kann es einen Einblick in meine frühe Arbeitsweise eröffnen.
Ab 1986 hatte ich in der Freien Kunststudienstätte Ottersberg angefangen Kunst und Kunsttherapie zu studieren, dazu war ich aus Berlin weggezogen, Berlin mit vielen Menschenkontakten, Nachtleben, Tanzen, freier künstlerischer Arbeit in ihren Anfängen und auch fotografischen Aufträgen, erste Ausstellungen und Presseartikeln, wie im Cosmopolitan. Es war eine wilde Zeit, teils genau das, was ich wollte, aber ich merkte auch, dass sich das „Wilde“ verselbstständigte, es das innere Gleichgewicht verwilderte.
Ein geregeltes Studentenleben, eine sanftere, ruhigere Umgebung im nördlichen Niedersachsen bei Bremen ließ mich mehr auf Gedankenprozesse und vor allem zu intensiver und kontinuierlicher künstlerischer Arbeit kommen, denn eigentlich gab es um Ottersberg nur Moor: das Quelkhorner Moor, das Teufelsmoor, das Königsmoor. Für einen Städter faszinierend, die Weite der ehemalig stärker, nun nur noch sporadisch betriebenen Torfabbaugebiete mit ihren wunderbar federnden Böden, den Gräben mit dem dicken, schwarzen, etwas öligem Wasser und den riesigen Halden mit geschichteten Torfziegeln.
In den 80ern lebend, erfüllte der erweiterte Kunstbegriff meine Kunstphilosophie. Ich arbeite an meinen „Körperwahrnehmungs-Handlungen“, die sowohl die Wahrnehmungen des Körpers, mit seinen Sinnen, als auch die Wahrnehmung des eigenen Körpers durch das Bewusstsein zum Thema hatten: Die Verflechtung von dem eigenen Körper und dem um den Körper befindlichen Außen-Raum mit den Möglichkeiten der performativen Setzungen dieser Prozesse in ein Bild, war Gegenstand der forschenden Kunstarbeit.
Ein Glück für mich, dass in der ländlichen Kunststudienstätte dieser „erweiterte Kunstbegriff“, im Gegensatz zu der Praxis in den staatlich-städtischen Kunstakademien, noch nicht selbstverständlich war, so dass ich mit diesem Teil meiner Kunstansätze neu und revolutionär sein konnte, während ich in Zeichnung, Malerei, Farbenlehre und Handwerk noch Grundlagen erlernen durfte, was in dieser Zeit nicht immer selbstverständlich war und dessen ich im Laufe der voranschreitenden Jahre immer dankbarer wurde.
Das Moorstück:
Mich interessierte das Material, aus dem heraus das Kunstwerk geboren werden sollte:
– Mich interessierte in Sinne meiner „Körperwahrnehmungs-Handlungen“ der eigene Körper und die Handlungen, die der Körper formbildende ausführt als Gestaltungsmaterial.
— Mich interessierte das Material meines Sujets: dieses Sujet war, auf Grund meiner Stadtflucht, die Neuartigkeit des mich umgebenden Raumes, also die ländliche Landschaft, also das Moor.
— Mich interessierte das Material des Mediums, die vielfältige Palette der Möglichkeiten der künstlerischen Ausdrucksformen. Das ausgewählte Medium sollte sich sozusagen als zweites Sujet in seiner spezifischen Eigenart selbst offenbaren.
– Torf- und Moormalerei wurde generiert, in dem ich Torf als Bildsubstanz einsetzte und mit verschiedenen Bindemitteln experimentierte, um die Torf-Bilder haltbar zu machen.
— Torfziegel wurden ausgelegt, geschichtet, zusammengefügt oder skulptural geformt.
— In der Tradition der Objekte entstanden Verbindungen von Torfziegeln mit andern Gegenständen. Zum Beispiel das „Regionalprogramm“ oder „Himmel, Nebel, Moor“.
— In Aktionen wollte ich die Kommunikation von Körper und Moor erfahren und äußere Bilder schaffen, die davon berichteten. Also wurden diese Performances dokumentarisch mit dem Medium der Photographie aufgezeichnet. Beispielsweise überbrückte ich mit Muskelkraft einen Moorgraben mit dem eigenen Körper, legte mich dann in ihn hinein, spürte den Sog des Moores und war froh einen Ast im Graben verankert zu haben. Ich aß Torf, denn nachdem ich selbst im Moor war, würde das Moor (der Torf) ja auch in mich eindringen: „Länger über’m Moor, Länger im Moor, Moor im Länger.“
Moora et Labora:
– Das Material des Themas wird benutzt: Moor und Torf
— Und das Material des Mediums: der Photographie und des Photolabors
— Und der Mensch als die Verbindung dieser beiden Aspekte, als Bild des Menschen sein Körper.
Die Aspekte des Themas (das Moor) und des Mediums (die Photographie) besitzen polare Eigenschaften.
– Das Moor steht hier für das flüssige Element, für die Möglichkeit der Entwicklung von Leben, für eine vorgeburtliche, ungerichtet-chaotische Lebensenergie.
— Die Photographie (technisch konstruiert aus Metall, Glaslinsen) steht hier für den Gegenpol, das feste Element mit berechneten, geometrischen und bereits geordneten Formen für eine Energie nach Überschreitung des Zenits, für einen im Absterben begriffenen Prozeß.
— Zwischen den Polen steht der weiche, sich entwickelnde organisch-lebendige Aggregatszustand des Menschen, der durch bewusstes Erkennen und Handeln Lebenskraft zeigt.
Da ich zeitgleich auch einen Job als Photoassistent und Druckvorlagenhersteller in Hamburg hatte, stand mir für meine künstlerischen Exponate ein professionelles, großes Photolabor nach Feierabend der Belegschaft zur Verfügung. Heute, in 2020, gibt es schon länger keine Photolabore mehr und so werden ein paar Worte hierzu, gerade für die, die nicht wissen, was das überhaupt war, ein Photolabor, nicht uninteressant sein, denn die in Moora et Labora eingesetzten Materialien werden für viele Menschen völlig unbekannt sein. Wie Sie merken, benutze ich die alte Schreibweise für „Photographie“ und „Photolabor“, nicht nur, weil sich der Text auf eine Zeit, in der dies die gültige Schreibweise war, bezieht, sondern um hervorzuheben, dass man in dieser Form das altgriechische Wort „Photos“ wiederfinden kann, das „Licht“ bedeutet und so ein Hinweis darauf ist, dass die Photographie mit der Konservierung von Licht zu tun hat. Die Bearbeitung der mit der Kamera aufgenommen Photographien erfolgte in den 80ern fast ausschließlich und bis in die 90er hinein noch teilweise im Photolabor. Im Gegensatz zur Bearbeitung am Computer, in dem die Fotomanipulation elektronisch erfolgt, wurde im Photolabor weiterhin mit Licht gearbeitet. Bei der Druckvorlagenherstellung erfolgte das in einer umfangreichen, vielprozessigen Gestaltungsweise. Im Vergrößerungsgerät wird Licht durch ein Negativ oder Diapositiv auf ein lichtempfindliches Papier oder Film vergrößert projiziert. Dieses Licht wird bei diesem Prozess, der eine bestimmt Zeit andauert, bearbeitet, indem am Farbkopf des Vergrößerers die Farbigkeit des Lichtes eingestellt wird. Ebenfalls kann in einem Kontaktverfahren, bei dem ein Film direkt auf das zu belichtende Papier/Film gelegt wird, die Photoübertragung entstehen. Auf diesem Wege kann nicht nur die Helligkeit und Farbigkeit des Lichtes geformt werden, sondern es können auch Collagen durch mehrere Belichtungen entstehen. Belichtet man das lichtempfindliche Papier oder den lichtempfindlichen Film in mehreren Durchgängen kann man eine Passerleiste benutzen, damit die Folien immer auf derselben Stelle millimetergenau aufliegen. So können verschieden Bilder auf dasselbe Papier (das nachher die einheitliche Druckvorlage darstellt) gefügt werden und dabei in einzelnen Belichtungen farbig verändert oder partiell bearbeitet werden; es können Strukturen gesetzt, die Lichtintensität vermindert oder ganz abhalten werden etc. – also vieles, jedoch nicht so umfänglich wie im Computer, konnte „lichtmechanisch“ veranlagt werden. Der Herstellungsprozess ist aufwendig und fand meist in einer komplizierten Weise statt, jedoch sind die Setzungen des Lichtes offenbar und konnten vom Verstand nachvollzogen werden, während die Prozesse in Rechner unverständlich geschehen, ist man kein Programmierer und selbst dann. Nach dem Belichten des Papieres oder des Planfilmes erfolgt der zweite Teil der Bildwerdung durch chemische Prozesse in Bädern. Währen man im kleinen Heimlabor Schalen oder eine kleine Entwicklungstrommel hat, übernehmen im Großlabor maschinelle Straßen das Eintauchen in die wechselnden Bäder, so dass man das zu entwickelnde Photo nur in einen Schlitz zu schieben braucht, allerdings in einer Dunkelkammer.
Sie können nun sicherlich erwägen, dass diese ganze Laborwelt viele Materialien benötigte und dieser Laborbedarf wurde mein Material zur Gestaltung meiner Exponate.
Verwendet wurden Photoabzüge auf Papier oder verschiedenen Filmen, unbelichtete Photopapiere und ‑filme (die vor dem chemischen Prozess meist andersfarbig aussahen) im Labor verwendete Schutzhüllen, Raster- und Streufolien. Die Photopapier- oder Filmkartonagen, die in vielen Größen und Hersteller bedingt in verschiedenen Farben zur Verfügung standen, wurden als Bildträger verwendet, dabei konnten die auf den Kartonagen aufkaschierten Werke zum Teil mit dem Deckel der Schachtel wieder verdeckt werden, ein Hinweis auf die Praxis im Photolabor lichtempfindliche Materialien zu schützen und in geschlossenen Karton zu verwahren und dem so sehr oft praktizierten Akt des Öffnens und Verschließens: Und für den Rezipienten die Möglichkeit das Bild nur an bewusst ausgewählten Momenten zu öffnen und zu betrachten.
E6-Entwicklungsrahmen aus den oben erwähnten Entwicklungsmaschinen bildeten die Grundgestelle für Objekte. Große Bädertanks aus Kunststoff kontrastrieten in Installationen mit den organischen Torfziegeln.
Ein Zyklus auch in Sinne des umweltschonenden Recyclings und der Arte Povera gearbeitet.
Weiterhin wurde die zu dieser Zeit ja auch schon traditionelle Praxis der Photoüberarbeitung mit Mitteln der Malerei im Atelier dazugesetzt.
So ergänzten sich zur Fügung des Moorstückes die beindruckende Landschaft mit ihrer besonderen Substanz, meine aus der Berliner Vorexistenz mitgebrachte Neigung zur Photographie und die aktuelle Malpraxis im Studium.
Sparten:
– Torfbilder
— Torfobjekte
— Moor-Aktionen
— Installationen im Moor
— Moor-/Torfinstallationen im Kunstraum und Daheim
— Dokumentarphotographien
— phototechnisch überarbeitete Photographien
— Photoübermalungen und Photoüberdruckungen
— Photo-Collagen
— Ausstellungs-Anordnungen, Rauminstallationen und Performance
Verwendete Materialien:
– Moor
— Torf
— Dokumentarphotographien von Moor-Performances und Torf-Installationen
— Photographien von Moor und Torfziegeln
— Papierabzüge, Teststreifen
— Negativ- und Diafilme als Planfilme und Rollfilme, entwickelt und unentwickelt, fixiert und unfixiert
— Foto und Filmkartonagen, verschiedener Hersteller (verschiedene Farben) und Größen
— Raster- und Strukturfilme, Filmschutzhüllen, Pergamynhüllen etc.
— Klebebänder
— E6-Entwicklungsrahmen, Filmhalterungen
— Entwicklungsmaschinenteile (Kunststofftanks, Schläuche, Motoren etc.)
Jörg Länger, Rohrdorf, im Mai 2020