Gesichte – Wasserdenker
2019 - 2020
Painting and Graphic Art
Die Wasserdenker denken fließend.
Ein liquides Denken steht als Synonym für eine metamorphosierende Gedankenbildung.
Die Wasserdenker denken fließend.
Ein liquides Denken steht als Synonym für eine metamorphosierende Gedankenbildung.
Text: Über Wasserdenker
Die Wasserdenker sind eine Hommage an Thales (640 – 548 v. Chr.), der dachte, dass das Wasser die zentrale Kraft in der Weltentwicklung ist. Goethe lässt Thales in seinem Faust II Homunkulus „zum heiteren Meeresfeste“ einladen, dem Fest der Metamorphosen, dem Ball der Umwandlungen und ausrufen:
„Alles ist aus dem Wasser entsprungen!!
Alles wird durch das Wasser erhalten!
Ozean gönn uns dein ewiges Walten.“ 1)
Und auch eine Hommage an Heraklit (576 – 480 v. Chr.), dem eigentlichen Feuerdenker, der jedoch mit seiner Aussage
„Man kann nicht zweimal in denselben Fluss steigen, denn andere Wasser strömen nach.“2)
das fließende Wasser als ein Bild des Wandels festigte. Sein „panta rhei“ ist zu einem durch Menschheit und Geschichte flutenden Wort geworden.
Und eine Hommage an Valentin Tomberg (1900 – 1973)
„Das Wachstum geschieht fließend, während der Bau sprungweise vorangeht.“ 3)
Und eine Hommage an Henri Bergson (1859 – 1941), der die fließende Bewegung als eine Form beschreibt, der zu verfolgen und zu begreifen der Verstand sich eine neue Denkform aneignen muss, um sie durch das flutende Reich der Intuition zu erkennen.
„Handelt es sich um eine Bewegung, so behält die Intelligenz nur eine Reihe von Positionen davon zurück: einen zuerst erreichte Punkt, einen weiteren und dann noch einen weiteren. Wenn man dem Verstand entgegenhält, daß zwischen diesen Punkten etwas vor sich geht, so schiebt er schnell neue Positionen dazwischen und immer so weiter, bis ins Unendliche. Von dem eigentlichen Übergang von Punkt zu Punkt wendet er seinen Blick ab …
… Dasselbe können wir vom Begriff der Veränderung im Allgemeinen sagen: Der Verstand zerlegt sie in aufeinanderfolgende und distinkte Zustände, die als unveränderlich angesehen werden. Betrachtet man jeden dieser Zustände genauer, beobachtet man dann, daß er sich dauernd ändert, fragt man, wie er dauern könnte, wenn er sich nicht dauernd änderte, so schieb der Verstand schnell eine Reihe von weiteren Zuständen ein, die sich nötigenfalls weiter zerlegen lassen usw., bis ins Unendliche. Wie sollte man aber nicht sehen, daß das Wesen der Dauer in einem ununterbrochenen Fluß besteht und daß etwas Statisches, das mit anderem Statischen aneinandergereiht wird, niemals eine wirkliche Dauer ergibt? Was also wirklich ist, das sind nicht die Momentaufnahmen der fixierten Zustände, die wir im Verlauf der Veränderung aufnehmen, sondern, das ist im Gegenteil der Fluß, das ist die Kontinuität des Übergangs,das ist die Veränderung selbst. … Es gibt hier nur eine ununterbrochene Dynamik der Veränderung – einer Veränderung, die niemals ihren Zusammenhang in einer Dauer verliert, die sich endlos aus sich selber weiter gebiert.“ 4)
So denken die Wasserdenker ihre liquiden Gedanken in einer Form, in der sie Ihre eigene Denk-Tätigkeit selbst in einer anderen (Bewusstseins-)Form wiederfinden. Und das kann sie das Wasser lehren. Manchmal tauchen so andere Gesichter in ihnen auf. Manchmal meerere.
Und eine Hommage an die Genesis I, 7, an den zweiten Schöpfungstag, an dem Gott schied
„zwischen den Wassern unterhalb des Firmamentes und den Wassern oberhalb des Firmamentes“.
So gibt es zwei Wasser, das himmlische Wasser, das Wasser des geistigen Lebens, der Wahrheit, Schönheit, Seligkeit und der Hoffnung auf Erlösung und das Wasser der irdisch-physischen Kontinuität, damit auch das der Instinktivität, des kollektiven Unbewussten und der Triebe. So rinnt die verschlingende Kollektivität, die „alte, schmutzige Schlange“ (Paul Verlaine) und eine „Art flüssigen Gottes“ (Victor Hugo) durch die Adern des Menschengeschlechtes.
Einige Wasserdenker denken das Wasser des Erbstromes, der Lust des Eros, aber auch das Wasser der Sintfluten, des Verschlungenwerdens und des Ertrinkens. Sie denken den sich bewegenden Willen zur bewegeten Handlung. Denken die Wirkursache. Ggf. nur die Wirkursache, ggf. diese als Illusion.
Andere Wasserdenker haben sich dem Wasser über dem „Firmament“, geöffnet, so strömt das himmlische Wasser in sie hinein, sie denken die heiteren Höhen, die Freiheit, die Gnade der Weihe, die Zielursache, ggf. nur die Zielursache, ggf. diese als Illusion.
Andere Wasserdenker denken ihr Zerissenwerden durch diese Dualität.
Und einige Wasserdenker denken das obere und das untere Wasser zusammen, die Hoffnung der Ewigkeit in die Mühen des vergänglichen Lebens, denken die freie schöpferische Tätigkeit in die notwendigen Handlungen des Daseins und denken die flutende Bewegung der aus der Vergangenheit kommenden Gegenwart in die erlösende Zukunft hinein.
Die Gesichte sind die Gedanken. Das Wasser das Wasser. Der Maler der Denker.
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1) Johann Wolfgang Goethe, Faust, Der Tragödie zweiter Teil, Insel Verlag, 1998, S. 286
2) Die Fragmente der Vorsokratiker, Fragment B 13, Griechisch und Deutsch von Hermann Diels. Herausgegeben von Walther Kranz. Hildesheim, Weidmann, 1952
3) Valentin Tomberg, Die großen Arcana des Tarot, 17. Arkanum, Herder Basel, 1972, S. 505
4) Henri Bergson, Denken und schöpferisches Werden, Meisenheim am Glan, 1948, S. 25 ff.
Kategorisierung der Wasserdenker
“Wasserdenker”: Werkart
i. d. Werkgattung „Kopf/Portrait“
i. d. Werkfamilie „Gesichte“
i. d. Werkordnung „Figur“
i. d. Werkklasse „Malerei“
i. d. Werkstamm „Bild (Fläche)”
i. d. Werkreich „Kunst“