Sarkophag der heiligen Kunigunde
Dialoge mit Artefakten des Diözesanmuseums Bamberg
2014
Painting and Graphic Art
Location-based Artefact Correspondence Art
Dialoge mit Artefakten des Diözesanmuseums Bamberg
2014
Painting and Graphic Art
Location-based Artefact Correspondence Art
Dr. phil. Dr. theol. Matthias Scherbaum Katalogtext zur Installation Bildanordnung für den leeren Sarkophag der hl. Kunigunde
An Längers Kunstwerk „Bildanordnung für den leeren Sarkophag der heiligen Kunigunde“ lässt sich die Vielschichtigkeit seiner Kunst gut ersehen. Das Werk besteht aus sieben Bildern über dem Sarkophag der Heiligen Kaiserin Kunigunde im Kreuzgang des Bamberger Diözesanmuseums. Protagonist ist hierbei der Sarkophag Kunigundes. Die ersten vier Bilder Längers, die in waagrechter Reihung über dem Sarkophag hängen, tragen den Titel „König Tod“, Bilder, die Länger unabhängig von der Sonderausstellung im Jahre 2007 angefertigt hat, dabei als Protagonisten einen „Alttestamentarischen König“ des Bernard de Montfaucon nutzend. Einige Zentimeter über dieser Vierergruppe hängen drei Bilder Längers aus unterschiedlichen Schaffensperioden, links und rechts die drei „Lichtgenien“ aus Philipp Otto Runges Bild „Der Große Morgen“ (2010), mittig ein Marientod (mit einer Protagonistenfigur von Giotto). Durch diese Anordnung gelingt es Länger, das Thema Tod (Sarkophag der Kunigunde, „König Tod“) und Auferstehung (Lichtgenien / „Der große Morgen“) auf verschiedenen Ebenen zu realisieren, was in der ursprünglichen Intention seiner Bilder nicht angelegt war. Dass dieses Gesamtarrangement als ein einziges Bild zu verstehen ist, macht eine große Leinwand klar, die hinter diesem Gesamtarrangement hängt.
Länger verwendet damit seine eigenen Bilder gleichsam als Material – als Protagonisten, womit in diesem Kunstwerk das Protagonisten-Konzept potenziert ist, denn insgesamt finden sich in diesem Gesamtbild 3 Typen bzw. Ebenen von Protagonisten, verdichtet zu einem ästhetischen Nukleus: 1. der Sarkophag der Kunigunde, 2. die Protagonisten in den Bildern Längers und 3. Längers Bilder selbst. Durch das Wechselverhältnis, das diese drei Arten von Protagonisten miteinander eingehen, entsteht das Gesamtkunstwerk, in dem Länger sein eigenes künstlerisches Material in eine gänzlich neue Kunstform hineinverwandelt.
Indem er seine bereits vor einigen Jahren geschaffenen Werke dem Kunigundensarkophag zuordnet, geschieht – und hier zeigt sich die ästhetische und konzeptionelle Stärke der Idee der Protagonisten und der ihnen innewaltenden jeweiligen Wechselbeziehungen – rückwirkend die Ästhetisierung nicht nur des Kunigundensarkophages, sondern auch des gesamten Kreuzganges, in dem der Kunigundensarkophag als integraler Bestandteil steht. Durch das Längersche Arrangement wird in wechselseitigem Verhältnis ein Kunstwerk geschaffen, andererseits durch dieses Kunstwerk der gesamte Raum, in dem es sich befindet, ebenfalls zum Kunstwerk. Wir haben es nicht nur mit einer Würdigung der Lokalität zu tun, sondern darüber hinaus mit einer konzeptionell konsequenten Ästhetisierung eines eo ipso non-ästhetischen Objektes, in diesem Fall des Ausstellungsraums.
Zusätzlich geht die Ausstellung der Gesamtinstallation so weit, dass der gesamte Teil des Kreuzgangs, in dem sich der Sarkophag befindet, zum integralen Bestandteil des Kunstwerkes erhoben ist. Die Lebendigkeit und Dynamik dieses Entwurfes ist nicht nur sehr gelungen, sondern v.a. auch deswegen bemerkenswert, weil man gängiger Weise in der (zeitgenössischen) Kunst doch oftmals die stark einseitige Betonung bzw. Fokussierung auf das Kunstwerk als solches findet. Durch die Dichte und Konzentriertheit der Installation einerseits und ihre Ausstrahlung in den Umraum andererseits ist aber nur eine der Ebenen, die der Betrachter erfahren kann, angesprochen; wenn er sich in diesen ästhetischen Raum hineinstellt, kann er unter Umständen eine weitere Ebene erleben, eine Atmosphäre zeitloser Spiritualität.
In diesem Zusammenhang ist noch eine weitere Dimension dieses Kunstwerkes aufzuspüren, vielleicht sogar die interessanteste. Dass die Installation in dieser Form exklusiv für das Bamberger Diözesanmuseum von Länger geschaffen wurde, heißt auch, dass es nicht nur prinzipiell einzigartig und nicht wiederholbar ist – sondern dass es auch am letzten Tag der Sonderausstellung für immer vergangen sein wird. Dieses Kunstwerk hat nicht nur seine eigene Zeitspanne gewissermaßen als ästhetisches Lebewesen, sondern es hat auch, wie alles Leben in irdischen Zusammenhängen, seinen unabwendbaren Tod. Damit wird die Sphäre der Zeit auf konzeptioneller Ebene bzw. in konstitutiver Hinsicht bestimmend für dieses Werk, wodurch es sich unterscheidet von dem Versuch, Zeit auf der Ebene des Dargestellten zu thematisieren. In Längers Kunstwerk wird Zeit und Zeitlichkeit nicht nur im Modus des Dargestellten thematisiert, sondern Zeit und Zeitlichkeit ist die innere qualitas, das innere Leben dieses Kunstwerkes, das konstitutive Element, aus dem heraus dieses Kunstwerk besteht. An diesem Werk bestätigt sich der Sinn des bekannten Satzes, dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile, denn auch wenn die einzelnen Momente und Protagonisten in summarischer Weise in und als dieses Kunstwerk zusammengebracht werden, so ist es doch in besonderer Weise die hierin waltende Idee, das Konzept sowie das spezielle Arrangement, das auf ästhetischer und geistiger Ebene etwas Neues schafft, das aus den einzelnen Elementen dieser Komposition und ihrer Summe keineswegs ableitbar ist, sondern eine neue und eigene Qualität ins Leben ruft.
Siehe auch M. Scherbaums Rezension “Der Sternenmantel und die Ästhetik der Protagonisten. Große Kunst von Jörg Länger im Bamberger Diözesanmuseum.”