Zum Konzept der Smoothiekonen
Der Titel dieser Werkgruppe besteht aus einer Wortspielerei1) und setzt sich aus zwei Wörtern zusammen: Einmal aus dem englischen „smooth“, dessen Bedeutung glatt, weich, fein, reibungslos, lieblich, geschmeidig, ja schmeichlerisch ist und das bekannt wurde durch das Kultgetränk, das heute in aller Munde ist, den Smoothie, den „Weichsaft“.
Im zweiten Teil steckt das Wort „Ikone“. Es wurzelt im altgriechischen εἰκών, eikón (später īkṓn) und bedeutet „Bild“ sowohl „Abbild“ als auch „Ebenbild“, später weist εἴδος eídos (später ídos) auf „Urbild, Gestalt, Art“ hin.
Der Begriff der Ikone müsste eigentlich länger besprochen werden, für den hier erforderlichen Zusammenhang will ich in Kürze nur auf die Ikonenverehrung der Ostkirche hinweisen. So kann eine Ikone für die Gläubigen der orthodoxen Kirchen des byzantinischen Ritus eine existenzielle Verbindung zwischen dem Betrachter und dem Dargestellten in realiter (!)3) bilden. Für die Entstehung meiner Idee der „Smoothiekonen“ spielt die dort ausgeführte Praxis, die Ikonen mit der Hand zu berühren oder auch zu küssen, den entscheidenden Ausgangspunkt: So sind meine „Smoothiekonen“ nicht nur, aber auch, für die haptische Berührung konzipiert, sie laden in besonderer Weise zum Berühren des Bildes ein.
Die Bilder entstehen durch den Werkprozess der „umgekehrten Malweise“:
Auf die Leinwand werden ohne die normal übliche Grundierung Farbschichten gemalt, darauf kommt dann das Motiv, das nun nur aus Grundierung besteht. Die Gesso-Halbkreidegrundierung, also das Motiv, der Protagonist, wird in vielen Schichten aufgetragen und immer wieder geschliffen. Ähnlich der aufwendigen Anfertigung des Malgrundes einer traditionellen Heiligenikone wird so an das Handwerk der altehrwürdigen Ikonenherstellung angeknüpft. Durch ein sehr feines Schleifen am Ende des Grundierungsprozesses wird das weiße Motiv sehr glatt, geschmeidig, (hand-)schmeichlerisch („neudeutsch“ eben „smooth“) und lädt so explizit zu einer Berührung mit der Hand oder gar den Lippen ein.
Dies ist jedoch nicht das einzige Resultat der inversen Malweise: Es liegt der Malgrund sichtbar zuoberst, gar in einer reliefartigen Erhöhung steht er über dem Bildumfeld4). Sichtbar ist der Bildgrund ja normalerweise nicht, mit dem Bildmotiv wird er übermalt, dabei ist er doch so wichtig, ist Träger, Voraussetzung, conditio sine qua non für das Bild, der Bildgrund ist der „Bild-Urgrund“, vielleicht analog, natürlich in einem riesengrößeren Maßstabe, dem „Welten-Urgrund“. In eigentlich allen Mythologien und Religionen der verschiedenen Kulturen der Welt und auch in der Philosophiegeschichte des Abendlandes bis zur Säkularisierung, basiert die Existenz der Welt (und damit aller Kultur und Zivilisation) auf dem Welturgrund, der heiligen Weltenschöpfung durch die Selbst-Ausgießung Gottes in die Welt. Ein heiliger Akt.
Auf den „Smoothiekonen“ ist nun der Bildurgrund frei sichtbar zuoberst gekehrt: eine Leerstelle auf der eine Schöpfung entstehen kann: Ihre Schöpfung. Die Schöpfung des Betrachters! Im Dialog mit mir, so ist es keine creatio ex nihilo, keine Schöpfung aus dem Nichts, die ist ungleich schwerer. In der „Smoothiekone“ ist Ihnen die jungfräuliche, (durch Farbe) unbefleckte Silhouette des Protagonisten gegeben, als Halt, um nicht völlig auf dem Nichts zu stehen. Eine „Aktivierungsenergie“ zum eigenen Schöpfertum wird Ihnen gegeben, Sie sind von den Bildwerken eingeladen, Ihre Vorstellungen von zum Beispiel dem Erzengel Michael in seinem Drachenkampfe oder der Jungfrau mit dem Kinde in die weiße „Leerstelle“ hinein zu imaginieren, Ihren eigenen heiligen Michael im Geiste zu schöpfen. Und so wird durch Ihre Schöpfungstat eine Verbindung in realiter(!) zu dem göttlichen Schöpfungsakt geschaffen. Nicht über den Inhalt, sondern über die Form der schöpfenden Betrachtung. Der Akt des Schöpfens ist ein heiliger Akt, an dem, wenn hier auch nur als Tropfen im Meere, eine Teilhabe möglich ist.
Das kann man vielleicht als eine Art Ikonenwende innerhalb einer Zeitenwende, die uns ja seit Anfang des 20 Jh. vorliegt5), benennen.
Während ein gläubiger orthodoxer Christ bei der Betrachtung einer traditionellen Ikone eigentlich schon vorher weiß, was er sehen wird, da die Herstellung einer Ikone nach strengstem Regelwerke festgelegt, ist hier ein Moment der Freiheit als Vorlage gegeben6).
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1) Auch: Der Smoothie und die Ikone überlappen sich im „I“. (Jetzt müsste man sich fragen, was eigentlich das „I“ bedeutet …)
2) Interessant ist, dass das Wort „Smoothie“ erstmals 1904 in einem US-amerikanischen Wörterbuch erschien, jedoch mit einer anderen Bedeutung. Damals wurde so eine Person bezeichnet, die entweder sehr redegewandt war oder besonders gute Manieren hatte. Das, ins Innere übertragen, gilt doch auch für Heilige?
3) Ein Beispiel vielleicht zur Erklärung: Sie geben dem Photo Ihrer Freundin, Ihres Freundes oder sonst eines lieben, nahen Menschen ein Küsschen. Das machen Sie, weil Sie durch das Photo angeregt nun allerliebst an den abgebildeten Menschen denken und handeln so aus freudigem Überschwange – doch Sie denken nicht im Ernst, dass Sie nun der betreffenden Person tatsächlich, in realiter (!), einen Kuss gegeben haben. Im traditionellen Ikonenverständnis wäre das jedoch so. Das abgebildete Bild IST der abgebildete Inhalt.
Doch will ich gleichzeitig an Sie appellieren nicht unsere heutige Denkungsweise, die sich darüber lustig machen könnte, als der Weisheit letzten Schluss zu sehen. Es ist immer aus den Gegebenheiten der Zeit heraus einiges zu denken unmöglich, was durchaus zu denken möglich und der Wirklichkeit angemessen wäre. Noch ein Beispiel: Geht es Ihnen nicht auch ab und an so, dass Sie frustriert immer wieder auf ein Problem schauen, das Sie nicht lösen können. Dann, nach einiger Zeit kommt Ihnen plötzlich und unerwartet (wie aus heiterem Himmel) ein völlig neuer Gedank, die Lösung des Problems, wie selbstverständlich, aber sie ist einfach bisher nicht eher in Ihren Denkhorizont geraten. Warum haben Sie diesen Gedanken lange nicht denken können? Und wieviele weitere Gedanken mag es geben, die Sie einfach bisher noch nicht denken oder gedacht haben! Wie zum Beispiel den, dass das Bild nicht immer nur Abbildung und damit Verweis auf das Inhaltliche ist, sondern dass es das Gezeigte IST. Für einen im byzantinischen Ritus Denkenden und Handelnden ist es dagegen möglich so zu denken.
4) (Diese leichte Erhöhung, die das Motiv durch den Auftrag der Schichtungen erreicht hat, ist natürlich auf Photos nicht richtig zu sehen.)
5) Die Ausführungen zu diesem Thema sind wahrscheinlich bekannt, hier würden sie den Rahmen derartig verlängern, das seine Sprengung ein mögliches Resultat wäre.
6) Scheint paradox, aber ist es das?
+) Es gibt auch ein (längeres) Video dazu:
> https://www.youtube.com/channel/UCpxWVzAKkNaXPUgjzS8HlEA
Die Werkgruppe der Smoothiekonen umfasst mehrere Werkgruppenunterabteilungen.
Für die thematische Auswahl einer Werkgruppenunterabteilung ist ein Bezug zum Thema „Ikone“ oder zur Eigenschaft des „smooth“ (hier z. b. sauber, streichelzart etc.) Voraussetzung, humoristisch, doch auch tiefsinnig, Sie werden sehen …
2.1. Werkgruppenunterabteilung „Heilige(r ) Grund(ierung)“
Auch wenn hier, wie oben geschildert, zu gänzlich neuartigen Betrachtungsweisen führende Ikonen vorliegen, ist es mir wichtig, anzuknüpfen an die Tradition in verschiedenerlei Weise: einmal, handwerklich mit der aufwendig geschichteten und geschliffenen Grundierungsherstellung; sodann substanziell in dem Prozess der Schöpfung als heiligem Akt, und aus diesem Sinne heraus hier in der 1. Werkgruppenunterabteilung an der Thematisierung des Heiligen im Motiv. Die Formgebung des Bildinhaltes, also der Handlungsträger des Bildes, entsteht ebenfalls aus einer Anknüpfung bei Künstler-Vorgängern, so greife ich von Malerkollegen gezeugte Protagonisten auf und lasse sie, auf ihre Silhouette verdichtet, in den Neo-Ikonen wieder auferstehen. Diese „Protagonisten-Resurrectio“ versucht ein metaphysisches Geschehen zu verbildlichen. Ich selbst, und das ist mir wichtig, stelle mich, indem ich an bestimmte bildnerische Figuren anknüpfe, bewusst1) in einen bestimmten Strom der Geschichtsentwickelung und schließe so an konkrete Individualitäten an.
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1) „Bewusst“ wird hier explizit betont, denn wir alle knüpfen an den Geschichtsstrom an, konkret führen wir Millionen von Bildern, die vor uns generiert wurden und die wir seit der frühen Kindheit in uns aufgenommen haben, mit uns, aus denen heraus wir unser Denken, Fühlen, Handeln, Arbeiten entstehen lassen, jedoch unbewusst. Im Gegensatz zu diesen unbewussten Bildern, die in uns allen und natürlich auch zentnerweise in mir leben, will ich wenigstens teilweise bewusste Verbindungen mit der die Gegenwart schaffenden Geschichte eingehen und entsprechende Setzungen formen.
2.2. Werkgruppenunterabteilung „Ikonen der Moderne zum Anfassen nah“
Hoch über der Vergangenheit steht, so der allgemeine Tenor, unsere Gegenwart, ja, weit gebracht haben wir es. Und auch Ikonen sind in unserer Zeit entstanden, bekannt und in aller Munde als die „Ikonen der Moderne“.
Filmdivas haben es durch Sexappeal in die Ikonostase geschafft. Und mit Marilyn Monroes berühmter Aussage von 1952, „Zum Schlafen trage ich nur ein paar Tropfen Chanel Nº 5“, spricht eine Ikone über eine Ikone; denn auch ein Parfum-Flakon wird in der Moderne zur Ikone: 1959 aufgenommen in die Dauerausstellungsikonostase des Museum of Modern Art (MoMA).
(Das Bild des berühmten Flakons ist geplant, aber irgendwie noch nicht ausgeführt, habe wohl wenig Lust dazu.)
So bekannt sind unsere Ikonen der Moderne, sie können in weißer Grundierung bleiben, Sie kennen sie ja. Gekauft sind sie zum Greifen nah und Anfassen macht Spaß.
Die im 20. Jahrhundert entstandenen „Ikonen der Moderne“ beziehen sich fast ausschließlich auf profane Inhalte.
Der Begriff der Ikone umfasste anfangs sowohl sakrale, als auch säkulare Themen, bis er ab dem 6. Jahrhundert ausschließlich für sakrale Portraits Verwendung fand. Bis zur Moderne eben.
2.3. Werkgruppenunterabteilung „Streichelzoo“
Nun Tiere als Protagonisten. Schön sind sie, die Tiere, nicht nur zum Schauen. Glatt, zart und wohlig sind sie auch zu berühren. In meinem „Streichelzoo“ sind sogar auch z. B. Nilpferde, Schlangen und Insekten glatt, zart und wohlig zu berühren mit ihrer geschliffenen Oberfläche aus Gesso. Gefährlichen Tieren kann man sich beruhigt nähern und diese behaglich streicheln.
Auch hier gibt es natürlich traditionelle Reminiszenzen, „heilige Tiere“ finden wir verehrt in verschiedensten Kulturen.
Und gegenwärtig ist es mehr als notwendig Tiere zu ikonisieren, zur Sühne an begangenem Frevel durch menschliche Arroganz, Gefühllosigkeit, Brutalität, durch Ausbeutungs- und Herrscherwillen.
2.4. Werkgruppenunterabteilung „Saubre Bursch und Weiberleut“
Geboren und aufgewachsen in Berlin, war ich lange in Hamburg wohnhaft, doch nun, seit bald 3 Jahren, lebe ich am Alpenrand, im schönen Chiemgau in Oberbayern. Ab und an habe ich auch Kontakt mit Einheimischen. So wurde ich aufgeklärt, dass „saubre Burschen und Weiberleut“ der hiesige Ausdruck für z. B. eine „klasse Frau“, ein „wunderbares Weib“, ein „stattlicher Mann“ oder ein „cooler Typ“ ist.
Sauber, weiß, wie gerade aus der Kochwäsche gekommen, prangen sie auf meinen „regionalen Bildern“. Aber nur in Tracht werden sie gemalt.
2.5. Werkgruppenunterabteilung: „Meine Lieben schmirgelweich“
(Smoothiekonen-Auftragsarbeiten)
Es fehlen jedoch noch, sagen wir, sogenannte „personalisierte Smoothiekonen“. Dafür nun in der 5. Werkgruppenunterabteilung Smoothiekonen-Auftragsarbeiten, wenn Ihr Wunsch nach Ihrem Namens- oder Lieblingsheiligen ruft. Aber für Ihre ganz persönliche Verehrung kann es auch die Ansicht eines lieben, vertrauten Menschen sein, oder eines besonders verehrten Menschen, eines bewunderten Dichters oder Komponisten, eines für Sie wegweisenden Denkers oder eines charmanten Serienhelden, auf den Sie sich täglich freuen. Oder Ihr Lieblingstier, zum Beispiel eine Erinnerung an Ihren gerade verstorbenen Goldfisch, nun zum Anfassen viel weicher. Oder auch ein besonderes Objekt, Ihr Traumauto/Ihre Handtasche zum Beispiel.
Zum Procedere: Sie schicken mir ein Photo mit der Wunsch-Ikone!
Wichtig ist dabei, dass das Photo als Scherenschnitt aussagekräftig ist und dass es nicht zu filigran ist. (Mehr filigran ergibt mehr Aufpreis – aber das können wir dann zusammen besprechen, … Ganz weich schmeichelnd und aalglatt richte ich mich nach Ihren Wünschen!)