Die Sammlung Länger
die Schnittstelle von privater Einrichtung
und öffentlicher Installation im Kunst-Kontext untersuchend.
Die Sammlung Länger – Kistliche Kontinuität seit 1988.
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die Schnittstelle von privater Einrichtung
und öffentlicher Installation im Kunst-Kontext untersuchend.
Die Sammlung Länger – Kistliche Kontinuität seit 1988.
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Die Sammlung Länger ist ein Kunstsparten übergreifendes Projekt, das seit Mitte der Achtziger Jahre mit existenzieller Intensität begonnen und immer wieder in verschiedenen Varianten und in unterschiedlichen Kunstformen aufgegriffen wurde.
Der zentrale Kern der Arbeiten ist die Benutzung eigener „Habseligkeiten“ als künstlerisches Gestaltungsmaterial, quasi anstelle von Stein, Ton oder Farbpigment.
Der Werkzyklus der Sammlung Länger basiert auf dem von Timm Ulrichs, Gilbert & George und anderen in den Sechzigern aufgestellten Postulat „Ich bin eine Skulptur“. Um dies in ein Bild (denn Ulrichs ist ja bildender Künstler) zu fassen, setzte sich Timm Ulrichs in einer Ausstellung in eine Vitrine, als Kunstwerk.
Der Körper ist das dem gestaltenden Ich nächst greifbare stoffliche Material, ein für den Künstler-Geist immer erreichbare materielle Gestaltungssubstanz, direkter und kontinuierlicher verfügbarer als Pigment und Leinwand. Immer bildet der Körper eine Form, dabei sich ändernd, ist er so in seiner Haltung immer eine symbolische Aussage.
Das danach nächste zur Hand liegende Material – so meine Erweiterung von Timm Ulrichs’ Setzung – sind die Habseligkeiten des Künstlers, die ihn formal, aber auch aus Notwendigkeit, wie in eine Art zweiter Hülle umgeben.
Dabei bleibe ich nicht stehen bei Marcel Duchamp, der – bekannter weise – ein Pissoir, einen Flaschenständer u. a. durch Auswahl und Platzierung im musealen Kontext in den Rang eines Kunstwerkes erhob. Nun sehe ich einen einzelnen Alltagsgegenstand nicht als Kunstgegenstand per se an, wie ich auch ein Pigmentkorn nicht als Kunstwerk betrachte, jedoch ist es mit Pigmenten möglich ein Kunstwerk zu schaffen. Nun, so meine Idee, kann man sich vielleicht die Anschaffung von Pigment (und Bindemittel! Und Leinwand!!) sparen, indem man künstlerisch arbeitet mit dem, was ohnehin vorhanden – und da vorhanden auch einer künstlerischen Gestaltung harrt!
Zu meinen Habseligkeiten gehören ja auch meine Möbel und die bestehen fast ausschließlich aus Kaviarkisten im Format 38 x 38 x 34 cm (Ausnahmen: Stühle, Tischplatten, Lattenrost, zeitweilig ein Klavier und zu anderer Zeit temporär ein Flügel). Damit konnte nun aus Ansammlungen von Schuhen, Hemden, Tellern, Büchern, Aufzeichnungen, Schraubendrehern etc. ein strukturierter Kosmos generiert werden. Dabei wurde versucht, so gut es geht, alle Gegenstände des Haushalts und der Werkstatt in die Kisten einzuordnen, weshalb die Bedarfsobjekte nicht größer als 34 x 34 x 32,5 cm (Kisteninnenmaß) sein durften. Unbarmherzig wurde aussortiert und nur noch mit Maßband einkaufen gegangen. Einzelne thematische Segmente, wie „Küche“, „Bibliothek“, „Kulturutensilien“ etc. konnten gebildet und die einzelnen Umkistungen als Einrichtungen entsprechend den Räumen, sozusagen „ortsbezogen“, installiert werden.
Die flexiblen Kistensegmente boten große gestalterische Möglichkeiten, daheim zu Hause als Home-Art, gab es auch außer Haus Kistenzüge z. B. an museale Orte: Bei einem Aufbau mit Dauer-Performance im Gerhard-Marcks-Haus war meine gesamte Habseligkeit vor Ort und ich notierte akribisch, was ich für meinen täglichen Bedarf aus meinem museumsgelagerten Hausstand für das außermuseale Leben entnehmen musste.
Durch die künstlerischen Werkprozesse entsteht eine intensive, bewusstseinsbildende Auseinandersetzung mit meinen Habseligkeiten aus Haushalt, Werkstattbedarf, biografischen Ablagerungen etc., so dass aus der sinnlich-konkreten Erfahrung heraus ich mich selbst fragen musste: „Was braucht Länger wirklich? Was ist notwendig, wichtig, aufhebenswert, was entbehrlich, was einfach schön zu haben? Was fehlt aus welchen Gründen? Wie verhält sich die Ästhetik der Hausrat-Anordnung zur existenziellen Notwendigkeit und Pragmatik? – Welche Konsequenzen entstehen?“
Die Frage nach der materiellen Lebensgestaltung ist nicht nur von aktueller Länger‑, sondern auch Weltbedeutung, da die Ausbeutung unserer irdischen Ressourcen nicht mehr beliebig fortführbar ist: was steht mir zu? Eine Frage der Vernunft ist nun gleichzeitig eine wüste Provokation! Dem „Exportweltmeister Deutschland“ wird vorgeworfen: Das Volk konsumiere zu wenig! Weltökonomisch verantwortungsvoll ist demnach, wer sich fragt: „Was brauche ich NICHT?“ – und das dann kauft!
Es geht um Bewusstseinsbildung: sowohl sich selbst gegenüber mit seinen Impulsen und Bedürfnissen, als auch die Welt mit den ihren kennenzulernen. So kann der verantwortungsvolle Umgang mit den irdischen Gütern auch dem Menschen selbst neue Möglichkeiten eröffnen: Wenn die Lebenswelt nicht übervoll von materiellem Besitz und dem besessenen Gieren nach „mehr“ ist, haben metaphysische Schätze eher wieder Platz in Seele und Geist, und der Mensch kann frei(er) der ineinandergreifenden Ganzheit von geistig Überirdischem und pragmatischer Alltagsmeisterung näherkommen.
© Jörg Länger, 1995, Hamburg